Mehr Sicherheit für Luftfracht

/

Nürnberg: Durch unautorisierte Öffnungen, ungekennzeichnete Gefahrenstoffe oder Manipulationen von Waren entsteht in der Luftfracht jährlich ein Schaden von mehreren hundert Millionen Euro. Im Projekt »CairGoLution« unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS wurde eine technologiebasierte Sicherheitsdienstleistung für die Luftfrachtkette geschaffen, die einen sicheren Warentransport ermöglicht. Der erste Testflug mit einem intelligenten Luftfrachtcontainer wurde im Januar 2017 erfolgreich abgeschlossen.

© DHL Express, Frank Steinert
Die Unit Load Device ist mit CairGolution vor Manipulationen geschützt.
Flug ULD Leipzig nach Bergamo
Flug ULD Leipzig nach Bergamo
Bewegungsprofil ULD Flughafen Bergamo
Bewegungsprofil ULD Flughafen Bergamo

Entlang von weltweiten Luftfracht-Logistikketten besteht das Risiko, dass Pakete unautorisiert geöffnet, Gefahrenstoffe eingebracht oder die eingesetzten Unit Load Devices (ULDs), in denen die Waren während des Fluges aufbewahrt werden, manipuliert werden. Aufgrund von Verlust und Reparatur der ULDs entsteht beispielsweise jährlich ein geschätzter Schaden von etwa 270 Millionen Euro. Eine wesentliche Voraussetzung für die Gewährleistung eines sicheren Transports vom Versender bis zum Empfänger ist die durchgängige Statusüberwachung von Waren- bzw. Ladungsträgern.

 

Echtzeitkontrolle des Luftfrachtcontainers

Im Projekt CairGoLution wird durch die Kombination von spezifisch weiterentwickelten Asset-Tracking-Systemen der Telic AG und der Fraunhofer-Vernetzungstechnologie s-net® eine sichere Überwachung und Lokalisierung der Fracht gewährleistet. »Ein ULD-Monitoring-System erkennt mittels Sensoren zuverlässig unautorisierte Zugriffe auf den ULD, erzeugt in Echtzeit eine Alarmmeldung für die Verantwortlichen der Sendung und zuständige Behörden und überträgt diese,« erklärt Projektleiter Tobias Seidler, Arbeitsgruppe für Supply Chain Services am Fraunhofer IIS. »So können neue Sicherheitsdienstleistungen auf Basis der Telematik- und Sensordaten entstehen, mit denen eine sichere Überwachung und Lokalisierung von Luftfrachtcontainern erreicht wird.«

 

Um eine möglichst lange Einsatzdauer in der Praxis erzielen zu können, entwickelte das Fraunhofer IIS ein spezielles Energy-Harvesting-Modul, das Strom aus geringen Lichtquellen gewinnen kann. Darüber hinaus erforschte das Fraunhofer-Entwicklungszentrum Röntgentechnik EZRT eine softwarebasierte Lösung, um Integritätsverletzungen in der Luftfrachtlogistikkette mittels Röntgensignaturvergleichen zu identifizieren. Um die Sicherheitsdienstleistung am Ende für den Anwender sichtbar zu machen, übernimmt das Fraunhofer IIS die Integration, Analyse und Aufbereitung der Daten basierend auf der von Telic eingesetzten Server-Kommunikationssoftware Kentaur.

 

Die Datensicherheit wurde insbesondere durch intelligente dynamische Verschlüsselungsverfahren gewährleistet, die einen sehr hohen Sicherheitsstandard bietet, ohne das für den Mobilfunkbereich relevante zu übertragende Datenvolumen unnötig zu vergrößern.

 

Besondere Bestimmungen für Luftfracht

Die wesentliche Herausforderung bei der Umsetzung der durchgängigen Statusüberwachung von ULDs war, dass im Gegensatz zu Lösungen im Straßen-, Schienen- und Schiffsverkehr, eingesetzte Technologien nicht durchgängig aktiv Daten übertragen dürfen. Im Hauptlauf der Logistikkette befindet sich der ULD in der Regel im Cargo-Bereich des Flugzeugs. In dieser Phase müssen eingesetzte Technologien zur Statusüberwachung passiv sein.

 

Konzepte und die Realisierung der automatisierten Abschaltung aller Funkmodule während des Fluges wurden im Rahmen der Forschung entwickelt und in die Asset-Tracking-Systeme der Telic AG integriert. Die notwendigen Prüfungen und Messungen wurden erfolgreich durchgeführt und dadurch die Bestimmungen der Luftfahrtbehörden eingehalten.

 

Erster Testflug bestätigt Umsetzbarkeit

Am 18.01.2017 startete der erste intelligente ULD am DHL-Hub in Leipzig für einen Flug nach Bergamo. Voraussetzung für den ersten Praxiseinsatz der Lösung waren die Zulassungstests nach RTCA DO160G. Die Auswertung der Daten zeigte, dass keine Integritätsverletzung des ULD auf seiner Reise von Leipzig über Bergamo nach Napoli und wieder zurück nach Bergamo stattgefunden hat. Darüber hinaus ließen sich weitere Kennzahlen für den ULD im CairGoLution-Portal wie z. B. Verweildauer und Transportzeiten auswerten. Neben den technischen Herausforderungen wurde auch die Wirtschaftlichkeit der vollautomatisierten Objektverfolgung von Luftfracht-Containern belegt. Die Telematik-Module sind dabei für sehr lange Einsatzzeiten und einen wartungsfreien Dauerbetrieb von mindestens sieben Jahren ausgelegt.

 

Livebetrieb steht kurz bevor

Mit dem Projekt CairGolution ist nun eine Ortungs- und Überwachungslösung für Luftfracht verfügbar, die einsatzfähig und zugelassen ist. Die Weiterentwicklung des Systems für einen Livebetrieb soll kurzfristig erfolgen. Dadurch kann die Lieferkette für wertvolle und zeitkritische Güter nun vom Versender bis zum Empfänger durchgehend verfolgt werden. Die im Rahmen von CairGoLution entstandene Integration und Interpretation von Telematik- und Sensordaten zur Dienstleistungsentwicklung kann für weitere Anwendungsfälle herangezogen werden wie z. B. für den Transport von Medikamenten.

 

CairGoLution ist ein Gemeinschaftsprojekt des Fraunhofer IIS mit dem Expressdienstleister DHL Express sowie den Anbietern DHL Smart Sensor, der Telic AG, der DoKaSch GmbH und dem Forschungspartner TU Darmstadt. CairGoLution wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und ist Teil des Rahmenprogramms »Forschung für die zivile Sicherheit«.