Wildtierbeobachtung mithilfe verteilter Künstlicher Intelligenz

Umweltveränderungen auf unserem Planeten haben sowohl in ihrer Intensität als auch in ihrer Geschwindigkeit historische Ausmaße erreicht. Der massive Rückgang der Artenvielfalt sowie der Klimawandel bringen das Ökosystem aus dem Gleichgewicht.

Im Laufe der Evolution hat die Natur unzählige Lösungen für beinahe alle denkbaren Herausforderungen entwickelt. Ein bemerkenswerter Ansatz ist die Schwarmintelligenz vieler Tierarten, sowohl innerartlich als auch artübergreifend. Es entstehen Synergien, durch die der Schwarm intelligenter ist als die Summe seiner Mitglieder. Doch auch die Digitalisierung schafft Technologien und Entwicklungen, um konkreten Herausforderungen intelligent zu begegnen.

Ziel des Projektes »SyNaKI« ist es, eine natürliche Schwarmintelligenz virtuell in einem Netzwerk von Mikroprozessoren (digitaler Schwarm) abzubilden, um eine Datenanalyse durch Künstliche Intelligenz (KI) zu ermöglichen. Diese soll am Beispiel eines konkreten Anwendungsszenarios von besenderten Geiern im artübergreifenden Verbund mit besenderten aasfressenden Landsäugetieren entwickelt werden. Die gesammelten und ausgewerteten Daten werden dann via Satellit an die Experten für Wildtierbeobachtung übermittelt. Diese können mit Hilfe der durch die besenderten Tiere generierten Daten tiefe Einblicke in das Ökosystem der Lebewesen erlangen. So kann das Verhalten der Tiere langfristig erforscht, etwaige Veränderungen im Verhalten der Tiere frühzeitig erkannt und negativen Entwicklungen entgegengesteuert werden.

»SyNaKI« ist ein Teilprojekt der GAIA-Initiative, für deren Durchführung sich das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS und das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) zu einem interdisziplinären Konsortium zusammengeschlossen haben. 

Herausforderung

Netzabdeckung

Tierschwärme kommen meist in abgelegenen Gebieten außerhalb der Reichweite terrestrischer Kommunikationsinfrastrukturen vor. Große Datenmengen können in schlecht angebundenen Gebieten häufig nur innerhalb von Tagen oder sogar Wochen übertragen werden. Daher ist es erforderlich, die bestehenden Netzwerke via Satellit anzubinden, um eine globale Konnektivität zu ermöglichen.

Datenrate

Sensoren ermöglichen es, Daten an Tieren und in ihrem Umfeld zu messen, aus denen Wissenschaftler wichtige Informationen zum Zustand der Ökosysteme ableiten können. Problematisch ist dabei die Menge an produzierten Daten, denn grundsätzlich können mehr Daten erhoben als übermittelt werden. Damit aus diesem Defizit keine unvollständigen Datensätze resultieren, lassen sich die aufkommenden Datenmengen durch lokale Vorverarbeitung der Sensordaten bereits vor der Übermittlung reduzieren. So wird weniger Datenrate benötigt.

Latenz

Aus der limitierten Datenrate und der mangelnden terrestrischen Netzabdeckung resultiert eine große Latenz, also eine Verzögerung in der Übertragung der Daten. Diese kann wiederum eine verzögerte Datenauswertung zur Folge haben. In Situationen, in denen schnell agiert werden muss, kann eine derartige Verzögerung problematisch sein. Eine lokale Vorverarbeitung durch KI ermöglicht eine Reduktion der zu übertragenden Datenmenge und damit geringere Latenzzeiten. Deshalb spielt auch hier die Anbindung lokaler Netzwerke an den Satelliten eine wichtige Rolle, um die im lokalen KI-Netz erzeugten Informationen schnell und effizient zu übertragen.

Hardwarelimitierung

Um Daten direkt auf lokaler Hardware verarbeiten zu können, muss die dort verfügbare Rechenleistung ausreichend dimensioniert sein. Insbesondere bei der mobilen Datenerfassung durch an Kleintieren angebrachte Sender kann das zur Herausforderung werden. Da Geier nur eine geringe Menge ihres eigenen Körpergewichts tragen können, ohne in ihrem Verhalten beeinträchtigt zu werden, ist eine starke Limitierung der Hardware notwendig. Denn Rechenleistung steht stets in Korrelation zum resultierenden Energieverbrauch und somit auch zur Batteriegröße. Je größer die Batterie ist, desto schwerer wird sie. Die Ausführung komplexer KI-Algorithmen direkt auf dem Tiersender ist folglich nur eingeschränkt umsetzbar, da die dafür erforderliche Hardware zu schwer und zu groß wäre.

Synergie natürlicher und Künstlicher Intelligenz im Schwarm

Im Rahmen dieses Projekts entstehen Lösungsansätze für die genannten Herausforderungen. Dazu entwickelt das Fraunhofer IIS, spiegelbildlich zu der evolutionären Intelligenz einer Artengemeinschaft von Aasfressern, eine verteilte und sensornahe Auswertung großer Datenreihen mittels eines dynamischen Schwarms von Mikroprozessoren. Dafür wird eine Künstliche Intelligenz entworfen, die in der Lage ist, Schwarmverhaltensmuster gezielt zu klassifizieren. Als Basis dienen reale biometrische Messdaten einzelner Tiere, die aus verteilter Sensorik innerhalb einer Artengemeinschaft gewonnen werden. Dazu soll ein selbstorganisiertes Netzwerk in der Extreme Edge entworfen werden, welches in der Lage ist, autark zu agieren und die gesammelten Messdaten auszuwerten. Diese extrahierten Informationen können dann über ein zukünftiges satellitenbasiertes mioty®-Netz versendet werden.

Sensornahe Auswertung der Daten

Die mit Hilfe der Tiersender erhobenen Datenmengen sind einerseits schwer zu interpretieren und andererseits in ihrem Volumen über bestehende Funktechnologie nicht vollumfänglich übertragbar. Eine Lösung hierfür stellt die Implementierung einer sensornahen KI dar. Die gemessenen Daten können so auf die relevantesten Informationen reduziert werden, was die zu übertragende Datenmenge auf ein technisch realisierbares Maß verringert.

Extreme Edge Computing

Bauartbedingt können die kleinen, leichten Tiersender, die die Geier bei sich tragen, nur eine limitierte Rechenleistung erbringen. Deshalb ist die Verwendung von Extreme Edge Computing in diesem Anwendungsfall besonders vielversprechend. In dem vom Fraunhofer IIS entwickelten Extreme-Edge Konzept werden komplexe Algorithmen nicht zentral auf einem einzelnen, sondern verteilt auf mehreren Geräten im Umkreis der Extreme Edge prozessiert. Dafür werden Ad-hoc-Netzwerke aufgebaut, die die einzelnen Funkknoten in einem Netz miteinander verbinden. Konkret werden im Projekt die komplexen Algorithmen also nicht zentral auf einem einzelnen, sondern verteilt auf mehreren, im Schwarm verfügbaren, Tiersendern prozessiert.

Datenübertragung via Satellit

Eine flächendeckende IoT-Konnektivität wird nur möglich sein, wenn die Netze abgelegener Gebiete durch Satelliten komplettiert werden. Um eine Direktübertragung vom Senderknoten zum Satellit zu ermöglichen, entwickelt das Fraunhofer IIS ein Kommunikationssystem, welches auf der terrestrischen mioty®-Technologie basiert. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung eines bidirektionalen Kommunikationslinks, um nicht nur eine robuste und energieeffiziente Datenübertragung zum Satelliten, sondern gleichzeitig eine Parametrisierung und Steuerung der Sendeknoten zu gewährleisten.

Das könnte Sie auch interessieren

GAIA-Sat-IoT

Sensornahe KI, energieeffiziente Elektronik und satelliten­gestützte IoT-Technik für Wildtierforschung und Naturschutz

 

Künstliche Intelligenz

Hier geht es zurück zum Geschäftsfeld »Künstliche Intelligenz«