Hardware für Quantencomputing: Qubits über Chips ansteuern

2. Februar 2024 | Projekt SHARE: Qubits über Chips ansteuern

Quantencomputer sind bislang Laboraufbauten, die mit einer Handvoll Qubits arbeiten. Sollen sie sich einen Weg in die Alltagsanwendung bahnen, erfordern sie umfangreiches Equipment und müssen Millionen Recheneinheiten umfassen. Eine Ansteuerung über Laborgeräte ist da keine Option. Im Projekt SHARE arbeiten Forschende des Fraunhofer IIS daran, die Qubits über Chips anzusteuern.

Quantencomputer gelten als Zukunftstechnologie – sollen sie doch künftig Probleme lösen, bei der heutige Computer an ihre Grenzen stoßen. Die Basis dafür bilden Qubits: Etwa die supraleitenden Transmon-Qubits – künstliche Strukturen, die ein ähnliches Verhalten aufweisen wie Atome. Diese müssen auf Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt gekühlt werden, um das gewünschte Quantenverhalten zu zeigen. Um einen leistungsfähigen Quantencomputer zu realisieren, sind tausende, ja unter Umständen gar Millionen Qubits nötig. Schon kleinste Störungen wie Abweichungen in der Temperatur oder störende Elektronik können einen großen Einfluss auf die Qubits haben. Die Ungenauigkeiten, die auf diese Weise entstehen könnten, lassen sich durch zahlreiche Messungen des immer wieder gleich angeregten Systems sowie durch eine Vielzahl an Qubits umgehen. Die derzeit größte Herausforderung liegt daher darin, die Quantencomputer von einigen wenigen Qubits in einem ersten Schritt auf hundert und anschließend auf mehrere Tausend Qubits aufzuskalieren.

 

Skalierung von supraleitenden Qubits


Wie dies für die Transmon-Qubits gelingen kann, untersuchen Forschende des Fraunhofer IIS rund um die Gruppenleiter Thomas Thönes und Frank Oehler gemeinsam mit Partnern wie dem Walther-Meißner-Institut im Projekt Munich Quantum Valley (MQV). »Wir entwickeln die entsprechende Ansteuer- und Auswerteelektronik, die eine Skalierung der supraleitenden Transmon-Qubits ermöglicht«, erläutert Thönes. Derzeit – also im kleinen Maßstab von einigen wenigen Qubits – erfolgt diese Ansteuerung über Laborgeräte, die bei Raumtemperatur betrieben werden: Die Geräte sind über Kabel mit den Qubits in der Kälte- oder Kryokammer verbunden. Doch funktioniert dies bei hunderten oder gar tausenden von Qubits nicht mehr: Tausende Signalgeneratoren nebeneinander zu stellen, ist schließlich keine Option. »Sollen die Quantencomputer skalierbar sein, sind Chips nötig, um die Qubits anzusteuern, genauer gesagt ASICs, kurz für Application Specific Integrated Circuit«, sagt Thönes. Der Vorteil: Statt hunderten oder gar tausenden von Laborgeräten wäre dann nur ein kleiner Chip nötig, zudem ließe sich die Elektronik näher an die Qubits bringen. Vorausgesetzt, sie arbeitet stromsparend, ansonsten würde zu viel Wärme übertragen werden.

 

»Wir entwickeln die entsprechende Ansteuer- und Auswerteelektronik,
die eine Skalierung der supraleitenden Transmon-Qubits ermöglicht«, erläutert Thönes

 

Nun ist der Sprung von Laborgeräten auf einen winzigen Chip ein großer. Mittelfristig – quasi als Zwischenschritt – arbeitet das Team daher daran, die aktuellen Laborgeräte kleiner zu bauen, indem es platzintensive Komponenten auf Chips verlegt. Doch liegt der Hauptvorteil nicht in der Miniaturisierung der Geräte, sondern darin, dass jedes Gerät durch die Integration der Chips deutlich mehr Ausgangskanäle zur Verfügung stellen kann als bisherige mit vier bis acht Kanälen. Sprich: Die Zahl der Geräte ließe sich drastisch reduzieren. Wie lässt sich eine solche Chip-Kontrollelektronik in die Geräte integrieren? Wie stromsparend Signale erzeugen, die das Qubit sauber und möglichst rauschfrei ansteuern können? Um solche Fragen zu beantworten, modellieren die Forschenden die Qubits, die von den Partnern des Walther-Meißner-Instituts hergestellt werden. »Diese Modellierungen sollen uns Aufschluss darüber geben, welche Spannung exakt am Qubit angelegt werden muss, wie die Signalamplituden aussehen müssen und welche Frequenzen nötig sind«, fasst Thönes zusammen. Mit den Modellierungen soll sich dann auch das Gesamtsystem spezifizieren lassen. Und damit die Frage beantworten: Wie lässt sich die Elektronik auf ASICs miniaturisieren?

 

Ansteuerung der Qubits bei 4 Kelvin


Langfristig – wenn Millionen von Qubits zu einem Quantencomputer vereint werden sollen – reicht dieser Ansatz jedoch nicht mehr aus: Dann soll die gesamte Steuerelektronik auf einem ASIC untergebracht werden und gänzlich ohne ansteuernde Laborgeräte auskommen. Eine solche Miniaturisierung der Ansteuerung eröffnet weitere Möglichkeiten: Die Chips könnten direkt an den Qubits positioniert werden, sprich im kryogekühlten Bereich. Ganz so kalt wie die Qubits hätte es die Elektronik allerdings nicht. Denn während die Herzstücke des Quantencomputers bei einigen Millikelvin betrieben werden, verbleiben die Ansteuer-Chips bei vier Kelvin. Doch warum sollen sie überhaupt in den gekühlten Bereich? »Betreibt man die Signalgeneratoren bei Raumtemperatur, erzeugen sie ein gewisses Rauschen. Um dies zu unterdrücken, wird das Signal auf seinem Weg zum Qubit sehr stark gedämpft – schließlich würde das Rauschen einen sauberen Nullzustand des Qubits verhindern. Das eigentliche Signal muss also mit so viel Leistung erzeugt werden, dass es trotz der Dämpfung am Qubit noch groß genug ist. Werden die Signale dagegen bei vier Kelvin erzeugt, nimmt das thermische Rauschen stark ab. Wir können die Dämpfung daher sehr weit reduzieren: Das Signal ließe sich deutlich energieeffizienter erzeugen«, erklärt Thönes.

Zwar ist die Schaltungsentwicklung das tägliche Brot der Forschenden – allerdings werden all diese entwickelten Schaltungen rund um den Raumtemperaturbereich betrieben. Das Spannende an der aktuellen Entwicklung liegt daher in der Frage: Was passiert, wenn der Chip auf vier Kelvin heruntergekühlt wird? Üblicherweise nutzen die Forschenden für ihre Entwicklungen Schaltungssimulatoren, in denen verschiedene Bauelement-Simulationen etwa für Transistoren, Spulen oder Widerstände hinterlegt sind. »Doch gibt es bei all diesen Bauelement-Simulationen keine Modellierungen für vier Kelvin. Wir können dem Simulator also nicht einfach sagen: Stell mir vier Kelvin ein und zeig mir, was passiert«, konkretisiert Thönes. Die Forschenden entwerfen daher zunächst einmal Teststrukturen – genauer gesagt einzelne Transistoren, Spulen oder Widerstände, die auf Chips platziert werden – testen diese bei vier Kelvin und extrahieren die nötigen Parameter. Dann können sie wieder in ihr gewohntes Forschungsfeld wechseln und Schaltungen entwickeln: Schaltungen, die auch bei vier Kelvin funktionieren und der Aufskalierung der Quantencomputer den Weg bereiten.

Beitrag von Janine van Ackeren, selbstständige Wirtschaftsjournalistin

 

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