Synchrotron-CT: Von brillanten Aufnahmen zu innovativen Ansätzen für Batterieentwicklung und Recycling

13.03.2024 | Wie kann das Fraunhofer IIS Batterietechnologien sicherer und innovativer gestalten?

Bei Teilchenbeschleunigern denken die meisten zuerst an die Entdeckung neuartiger Elementarteilchen oder Forschung an Kernenergie. Dabei können sie noch so einiges mehr: Zum Beispiel Computertomographie. Speziell werden dafür Synchrotrons genutzt, Teilchenbeschleuniger, in denen Elektronen nahezu auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden.  In diesem Beitrag erklären wir, wie diese Technologie dazu beitragen kann, elektrische Antriebssysteme und Batterien für Elektrofahrzeuge im Entwicklungsprozess sicherer zu machen, Recycling präziser und effizienter zu gestalten und selbst kleinste Defekte in Objekten mikrometergenau abzubilden.

Herr Prof. Zabler, was können wir uns unter einem Synchrotron vorstellen?

 

Es handelt sich dabei um Teilchenbeschleuniger, ähnlich wie man sie beispielsweise aus dem CERN kennt, nur wesentlich kleiner. Wir nutzen das Europäische Synchrotron E.S.R.F in Grenoble (Frankreich) als spezielle Röntgenquelle mit besonderen Eigenschaften für die Computertomographie.  Mithilfe von beschleunigten Elektronen schaffen wir eine sehr helle Röntgenstrahlung - bis zu 1 Millionen mal heller als eine Laboranode der letzten Generation. Dadurch lassen sich sehr detailreiche Aufnahmen erzeugen.

 

In der Online-Magazinserie Batterieforschung stehen die Punkte Nachhaltigkeit und Elektromobilität im besonderen Fokus. Wie kann diese Technologie zum Thema Nachhaltigkeit beitragen?

 

Nachhaltigkeit betrifft in der Röntgenprüfung vor allem geschlossene Werkstoffkreisläufe. Dahinter steht zunächst die Erkenntnis der Politik, dass eine Marktwirtschaft, welche auf dem Glauben an eine unendliche Verfügbarkeit von Rohstoffen basiert, heute nicht mehr funktioniert. Damit einher geht, dass man auch die Entsorgung dieser Rohstoffe und Materialien nicht mehr ausklammern kann aus dieser marktwirtschaftlichen Rechnung. Unser gesellschaftliches Ziel ist es, eine Wende zu ermöglichen hin zu einem Werkstoffkreislauf, der geschlossen ist, in dem also nach dem Leben eines Werkstoffs oder Bauteils – wie einer Batterie – das Material vollständig recyclet wird. Da sind wir heute allerdings leider noch nicht. Deshalb betreiben wir intensiv Forschung an der Synchrotron-CT-Technologie.

Wir können in der Synchrotron-CT sehr hochauflösende, gestochen scharfe 3D-Bilder von Stücken von Bauteilen oder Proben von Werkstoffen digital aufnehmen und analysieren, um verschiedene Eigenschaften festzustellen. Um welche Legierung, um welchen Stahl handelt es sich hier? Wie ist die mittlere Faserlänge dieses Kohlefaser-Verbundwerkstoffs beschaffen? Wie sieht dieses elektronische Bauteil im Mikrometer-Bereich aus? Mit solchen und ähnlichen Analysen kann Material nach seinem ersten Lebenszyklus sortenrein einem geschlossenen Kreislauf zugeführt werden. Üblicherweise wird Material oft durchmischt verwertet, wodurch die Qualität des Rezyklats leidet. 

»Wir schaffen eine sehr helle Röntgenstrahlung - bis zu 1 Millionen mal heller als eine Laboranode der letzten Generation. Dadurch lassen sich sehr detailreiche Aufnahmen erzeugen.«

Und wie hilft die Synchrotron-CT beim Ausbau der Elektromobilität?

 

Elektromobilität definiere ich als flächendeckende Einführung von rein-elektrischen Antrieben und Energiespeichern für den automobilen Personenverkehr. Ich habe bewusst den Schienenverkehr ausgeklammert, da dort elektrische Antriebe schon flächendeckend genutzt werden. 

In diesem Bereich möchten wir mit der Synchrotron-CT vor allem die Komponenten prüfen, die schnell Schäden davontragen können. Das könnten Teile aus der elektrischen Antriebstechnik sein, Spulen, Magneten, Statoren, die wir auf potenzielle Fehler oder Verschleißerscheinungen untersuchen. 

Das andere sind die Batteriesysteme im elektrischen PKW. Dort gibt es noch Bedarf, reverse engineering zu betreiben – also vom fertigen System Rückschlüsse auf einzelne Komponenten zu ziehen. Denn im Moment wird der Großteil der Energiespeicher aus Asien zugekauft und in Europa verbaut. Es wird daran gearbeitet, dies in die heimische Produktion zu überführen. Das kann die Synchrotron-CT unterstützen, indem wir den Stand der Technik dreidimensional mikrometergenau abbilden, und so entsprechende Entwicklungszyklen verkürzen. Ein weiterer Vorteil der Synchrotron-CT ist dabei, dass auch zeitaufgelöst abgebildet werden kann. Das heißt, wir können auch Batterien und Batteriesysteme über ihre Lebenszeit hinweg untersuchen, ohne ihre Nutzung einzuschränken. So können wir langfristige Lebenszeit-begleitende Studien machen – beispielsweise durch das sog. Zyklisieren, Batterien beschleunigt altern zu lassen, um dabei auftretende Probleme zu untersuchen. 

 

Welche Vorteile bringt Synchrotron-CT einem Kunden? Welche Probleme kann er damit lösen?

 

Meist sind die Prüfaufträge der Kunden die Fehlersuche oder Genauigkeitsanfragen. Sprich: Stimmt die Maßhaltigkeit von den entsprechend hergestellten Bauteilen? Grundsätzlich kann man auch beides auf einmal prüfen. Objekte bilden wir mit 10-100-mal höherer Kontrastauflösung und/oder Ortsauflösung als bei herkömmlichen Methoden ab. Das heißt, wir können viel genauer, viel besser reingucken, um noch kleinere Defekte zu finden, oder die Maßhaltigkeit im Detail zu prüfen. Wir reden hier von einzelnen Partikeln im Mikrometerbereich, die durch diese Technologie hochaufgelöst sichtbar werden. Diese Genauigkeit schafft nur das Synchrotron.

 

Herr Prof. Zabler, wir danken Ihnen für das Gespräch!

 

Interview von Lucas Westermann, Redakteur Fraunhofer IIS Magazin

Strahllinie BM18

Die hier beschriebenen Informationen beziehen sich insbesondere auf die neue Strahllinie BM18 der European Synchrotron Radiation Facility ESRF, an der das Fraunhofer-Entwicklungszentrum Röntgentechnik EZRT als Projektpartner tätig ist und einen bevorzugten Zugang besitzt.

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