Fraunhofer IIS eröffnet Labor im Weltall

Erlangen: Strahlung, Hochvakuum und massive Temperaturschwankungen: Im Weltall herrschen Extrembedingungen, die für die Satellitenkommunikation eine anspruchsvolle Herausforderung darstellen. Mit dem Fraunhofer On-Board-Prozessor (FOBP) können Experimente im Weltall durchgeführt werden, um zu erforschen, ob neue Technologien auch unter realen Bedingungen funktionsfähig sind. Der FOBP hat in der vergangenen Woche die letzten Tests bestanden und seinen Dienst an Bord des Heinrich-Hertz-Satelliten der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) aufgenommen.

FOBP Thermal-Vakuum-Kammer
© Fraunhofer IIS / Paul Pulkert
Der Probelauf: In einer Thermal-Vakuum-Kammer bereitete sich der FOBP unter simulierten Weltall-Bedingungen auf den realen Einsatz vor.
FOBP_Missionskontrolle
© Fraunhofer IIS / Paul Pulkert
Die Missionskontrolle: In diesem Raum überwacht das Fraunhofer IIS den FOBP und erteilt ihm Kommandos.

Die Satellitenkommunikation steht oftmals vor dem Dilemma, dass leistungsfähigere Technologien erst dann eingesetzt werden, wenn ihre Funktionsfähigkeit auch im Weltall bewiesen werden konnte. Dies verzögert Fortschritte und hemmt das Innovationspotenzial der Satellitenbranche. Um diese Bremse zu lösen, hat das Fraunhofer IIS mit dem FOBP ein Labor im All eröffnet, das mit einem besonderen Feature ausgestattet ist: Auch in 36.000 Kilometern Höhe kann die Nutzlast des Satelliten jederzeit von der Erde aus angesteuert und für unterschiedliche Anwendungsfälle umprogrammiert werden. »Das kann man sich wie bei einem Smartphone vorstellen, das Updates installiert, um neuen Anforderungen gerecht zu werden«, sagt Rainer Wansch, Leiter der Abteilung »HF und SatKom Systeme«.

Die Möglichkeiten der Branche, die Experimentierplattform zu nutzen, sind daher genauso vielfältig wie die Satellitenkommunikation selbst. Ihr reibungsloser Ablauf ist darauf angewiesen, dass sich unterschiedliche Elemente zu einer nahtlosen Übertragungskette zusammenfügen. Dazu gehören die Bestandteile, die in einen Satelliten eingebaut werden, ebenso wie das Equipment, das in Form von Modems und Antennen die Kommunikation vom Boden aus ermöglicht. Damit diese einzelnen Elemente optimal zusammenwirken können, werden zudem unterschiedliche Konzepte erforscht, die darauf abzielen, die Kapazitäten möglichst effizient zu managen.

Hilfe im Katastrophenfall

Wie eine leistungsfähigere Satellitenkommunikation künftig dabei helfen kann, den Informationsaustausch auf der Erde konkret zu verbessern, will das Fraunhofer IIS auch in eigenen Experimenten ergründen. Eines der Projekte ist eine Konsequenz aus der Flutkatastrophe im Ahrtal vor zwei Jahren. Damals beschädigten die Wassermassen die Kommunikationsinfrastruktur derart stark, dass der Mobilfunk über Tage hinweg lahmgelegt war. Nun soll untersucht werden, wie der FOBP mit seiner Flexibilität dazu beitragen kann, Rettungskräften einen sicheren und stabilen Direktzugriff zum Satelliten zu verschaffen. »Damit wäre die Kommunikation im Katastrophenfall gewährleistet – auch unabhängig vom Mobilfunk und dessen kommerziellen Anbietern«, sagt Rainer Wansch.

Das Beispiel verdeutlicht, dass Satelliten eine immer bedeutendere Rolle für die Kommunikation am Boden einnehmen. In der neuen Mobilfunkgeneration werden die Flugkörper nun konsequent in das 5G-Netz integriert. Ziel sind »Non-Terrestrial Networks«, in denen der terrestrische und satellitenbasierte Datenverkehr zu hybriden Netzen verschmilzt. Diese sollen sicherstellen, dass der Mobilfunk sogar entlegene Regionen erreicht. Wie 5G über Satellit angebunden werden kann, auch das wird in einem Experiment mit dem FOBP erforscht.

Weltall-Simulation in Erlangen

Das Labor im All können Forschungsinstitute und Unternehmen in enger Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IIS nutzen. Unterstützt werden die Kommunikationsexperimente von der Testinfrastruktur in Erlangen. Dazu gehört eine Bodenstation inklusive Multiband-Satellitenantenne, die den FOBP überwachen und ansteuern kann.  Das Fraunhofer IIS verfügt in Erlangen auch über eine Thermal-Vakuum-Kammer, in der sich die Technologien unter simulierten Weltall-Bedingungen in einem baugleichen FOBP-Modell auf den realen Einsatz vorbereiten können.

Die Heinrich-Hertz-Mission und ihre Partner

Mit der Heinrich-Hertz-Mission startet erstmals ein eigener deutscher Kommunikationssatellit zur Erforschung und Erprobung neuer Technologien und Kommunikationsszenarien. Die Mission leistet damit einen Beitrag zur Informationsgesellschaft in Deutschland. Die Heinrich-Hertz-Mission wird von der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bonn im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und unter Beteiligung des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) geführt. Mit der Entwicklung und dem Bau des Satelliten wurde die OHB-System AG beauftragt. An der Entwicklung und dem Test des Satelliten sind zudem die Firmen IABG GmbH, MDA AG und TESAT GmbH & Co. KG beteiligt. Das Bodensegment wird von der OHB Digital Connect in Zusammenarbeit mit der Firma CGI verantwortet. Dabei wurde das Satellitenkontrollzentrum in Bonn realisiert. Die Standorte für die neuen Bodenstationen befinden sich in Hürth (Nordrhein-Westfalen) und Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern). Für den Start der Mission an Bord der Ariane-5-Trägerrakete (VA261) ist Arianespace verantwortlich. An der Mission sind insgesamt 42 Partner beteiligt – davon 14 an der wissenschaftlichen Nutzlast.

Fraunhofer On-Board-Prozessor

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Seit dem Juli 2023 läuft die Mission des Heinrich-Hertz-Satelliten und wir sind mittendrin. Denn eines der Herzstücke bildet der Fraunhofer On-Board-Prozessor (FOBP), der jederzeit von der Erde aus umprogrammiert werden kann und sich in ein Labor verwandelt, das die Satelliten- und Kommunikationsindustrie nutzen kann, um ihre eigenen Technologien im Weltall zu testen.