Weltraumstrahlung – eine Gefahr für Satellitenmissionen

Weltraumstrahlung gilt als eine der größten Herausforderungen für moderne Satellitenmissionen. Das liegt vor allem an unserer Sonne: Sie setzt durch Sonnenflecken und koronale Massenauswürfe hochenergetische Elementarteilchen frei, die unablässig auf die Satelliten im Erd-Orbit einwirken, deren elektronische Hardware sukzessive schwächen und unvorhersehbare Systemausfälle provozieren können. Der Schutz der Flugkörper hat daher höchste Priorität. Um Risiken zu minimieren, setzen Entwickler bislang auf strahlungsresistente Komponenten. Allerdings handelt es sich dabei um spezialisierte Produkte, die den Preis der Satelliten hochtreiben und die Designflexibilität einschränken.

Eine noch offene Forschungsfrage ist, ob gewöhnliche Hardware der Weltraumstrahlung dennoch standhalten könnte. Dies könnte die Kosten einer Satellitenmission erheblich reduzieren, ohne ihren Erfolg zu gefährden. Dazu ist allerdings der Zugang zu Strahlungsdaten sowie ein umfassendes Verständnis des Weltraumwetters unverzichtbar. 

Diese Lücke wollen wir im Rahmen des Projekts »EBKAS« schließen: Wir messen die Echtzeit-Strahlenexposition im geostationären Orbit und analysieren die Auswirkungen auf die elektronischen Komponenten in einem Satelliten. Zum Einsatz kommt hierfür unser Fraunhofer On-Board-Prozessor (FOBP) – eine rekonfigurierbare Nutzlast an Bord des Heinrich-Hertz-Satelliten, in der kostengünstige Standard-Speichermodule als Strahlungssensoren verbaut sind.

Die zwei Gesichter der Weltraumstrahlung

Im FOBP sammelt ein Strahlungsüberwachungssystem kontinuierlich Daten zum Weltraumwetter und leitet diese anschließend an zwei voneinander unabhängige Bodenstationen weiter. Dort werden sie für weitere Analysen in einer Zeitreihendatenbank gespeichert. Die Auswirkungen der Weltraumstrahlung auf die Hardware im Satelliten lassen sich auf zwei unterschiedlichen Wegen messen. 

 

Total Ionizing Dose (TID)

Da Satellitenmissionen mehrere Jahre andauern, ist die Hardware über einen langen Zeitraum ionisierender Strahlung ausgesetzt. Die Exposition kumuliert sich somit peu à peu. Dieser Effekt wird anhand der Total Ionizing Dose gemessen, also der gesamten Energie, die in ein Material durch Strahlung eingelagert wird. Im FOBP lässt sich das nachverfolgen, weil ein UV-EPROM (Ultraviolet-Erasable Programmable Read-Only Memory) durch die Strahlung allmählich seine programmierten Bits verliert. Indem wir die verlorenen Bits des Speichers regelmäßig protokollieren, können wir die akkumulierte Strahlendosis ermitteln. Die Kalibration für die konkrete Dosisaussage hat das Fraunhofer INT durchgeführt.

 

 

Single Event Upsets (SEU)

Im Weltall können einzelne hochenergetische Teilchen wie Protonen oder schwere Ionen auf Halbleiterbauteile des Satelliten treffen. Derartige Single Event Upsets entfalten ihre Wirkung im Gegensatz zur TID sofort: Sie triggern strahleninduzierte Fehler, die den Zustand eines Bits im Speicher oder in den Logikschaltungen verändern. Um solche Bit-Änderungen im FOBP in Echtzeit zu erkennen, wird ein kommerzielles SRAM (Static Random-Access Memory)-Modul verwendet. Kommt es in den Mustern des Speichers zu plötzlichen Abweichungen, können wir die Strahlungsbelastung zu einem bestimmten Zeitpunkt nachvollziehen. 

Wie es jetzt weitergeht

Das Projekt »EBKAS« ist in vollem Gange: Das Strahlungsüberwachungssystem hat bereits die ersten Daten aus dem Weltall gesammelt. Beide Strahlungseffekte ließen sich dabei nachweisen: Das SRAM-Modul konnte Bit-Änderungen messen und damit Single Event Upsets in Echtzeit erkennen, während sich der schleichende Bitverlust im UV-EPROM mit den erwarteten Effekten der Total Ionizing Dose deckt. Da der Heinrich-Hertz-Satellit voraussichtlich über ein Jahrzehnt lang seinen Dienst verrichten wird, können wir nun mithilfe des FOBPs über einen längeren Zeitraum hinweg größere Datenmengen analysieren, um die langfristigen Konsequenzen der Weltraumstrahlung für Satellitenmissionen besser zu verstehen. Konkret wollen wir:

  • Strahlungsmuster zu unterschiedlichen Zeiten und Bedingungen des Weltraumwetters vergleichen
  • Einsatzmöglichkeiten von Standard-Speichermodulen als kostengünstige Alternative zu strahlungsresistenter Hardware validieren
  • Einschätzungen zum Design von Satelliten für künftige Missionen gewinnen

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