Lurch

Datierung ca. 230 Millionen Jahre alt
Ursprung Fund in der unterfränkischen Gemeinde Rauhenebrach im Jahr 2021
Auftraggeber Landesamt für Umwelt
System XXL-Computertomographie
Technische Herausforderung Schwachkontrastige Strukturen in hochabsorbierenden Material auflösen und Segmentieren
Fragestellung Zerstörungsfreie Untersuchung der Brocken mit Urzeit-Knochen

 

Die XXL-Röntgentechnologie hilft Paläontologen bei der Untersuchung mehrerer Steinblöcke mit Urzeit-Knochen, die 2021 in einem unterfränkischen Steinbruch entdeckt wurden – darunter ein rund 200 Kilogramm schwerer Block. Die Blöcke wurden im Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS am Standort Fürth mit einem Hochenergie-Computertomografen untersucht, um die empfindlichen Fossilien zu analysieren, ohne sie zu beschädigen. Die in diesem Beitrag gezeigten Ergebnisse stammen aus einem kleineren Block.

Die hierbei entstandenen 3D-Daten des kleinen Blocks ermöglichen wertvolle Einblicke in die Knochenstruktur und könnten das Wissen über den Metoposaurus erheblich erweitern. Diese innovative Methode des wissenschaftlichen Arbeitens erlaubt es, die Daten weltweit zu teilen und somit die Forschung voranzutreiben.

© Frederik Spindler, Palaeonavix
Foto des untersuchten Steinblocks mit den Oberschädelfragmenten eines urzeitlichen Lurchs.

Hochenergie-CT und KI legen verborgene Fossilien frei

© Fraunhofer IIS
CT-Schnitt des untersuchten Steinblocks mit den Konturen der versteinerten Knochen (dunkelgraue Strukturen in der oberen Bildhälfte).
© Fraunhofer IIS
Vertikaler CT-Schnitt durch den Steinblock. Die Knochenstrukturen (dunkelgrau dargestellt und mit orangen Pfeilen markiert) durchzieht den kompletten Stein. Auf der Höhe des unteren oragen Pfeils ist ein Zahn des Lurchs deutlich zu erkennen. Der Stein ist durch eine Vergussmasse (grüne Pfeile) stabilisiert.Vertikaler CT-Schnitt durch den Steinblock. Die Knochenstrukturen (dunkelgrau dargestellt und mit orangen Pfeilen markiert) durchzieht den kompletten Stein. Auf der Höhe des unteren oragen Pfeils ist ein Zahn des Lurchs deutlich zu erkennen. Der Stein ist durch eine Vergussmasse (grüne Pfeile) stabilisiert.

Die Hochenergie-Computertomographie an einem Steinblock mit den Abmessungen von 370 x 200 x 160 mm³ mit einem nur seitlich teilweise freigelegten Fragment eines Oberschädels ermöglicht einen einzigarteigenen Zugang zu bisher verborgenen Strukturen.

Fossilien erweisen sich generell als sehr herausfordernde Untersuchungsobjekte für die Computer-Tomografie: Zum einen müssen hochabsorbierende Materialien (beispielsweise Sandstein) durchstrahlt werden und zugleich die filigranen Strukturen der mineralisierten Knochen mit geringen Materialkontrasten hoch aufgelöst und artefaktfrei dargestellt werden. Die Lösung für diese Herausforderung liegt in der modernen Hochenergie-Bildgebung mit einem 9 MeV Linearbeschleuniger als Röntgenquelle.

Die Helix-CT-Resultate zeigen bereits in der einzelnen CT-Schnitten die dünnen Knochenstrukturen, sowie die umgebende Steinmatrix. Diese Informationen können bereits in dieser Aufbereitung die ersten Erkenntnisse für die Lage, Ausdehnung, Vollständigkeit und Dimensionen der Knochen im Inneren liefern und dann im Nachgang eine händische Freilegung durch die Paläontologen mit essenziellen Vorabwissen ausstatten.

Der CT-Datensatz des Fossils ist der Ausgangspunkt für eine nachgelagerte digitale Datenverarbeitung, die eine weitere Kernkompetenz des Bereiches Entwicklungszentrum Röntgentechnik des Fraunhofer IIS darstellt:

Die Segmentierung, d.h. die virtuelle Extraktion des Oberkieferknochens aus dem Stein stellte eine besondere Herausforderung dar, da nur geringfügiger Kontrast zwischen Knochen und Gestein vorhanden war. Ferner ähnelten kugelförmige Einschlüsse und auch die Vergussmasse dem Knochenmaterial in der CT-Bildgebung so stark, dass herkömmliche Schwellwertverfahren nicht anwendbar waren. Daher kam hier eine Eigenentwicklung der Fraunhofer Forschergruppe für Wissensbasierte Bildverarbeitung und Visualisierung des Fraunhofer IIS zum Einsatz: ASVoxCraft. Diese Software erlaubt Benutzern das Training eines Machine Learning-Modells für die Segmentierung von Objekten mittels einer interaktiven Klick-Prozedur, für welche keine mühsam erstellten Ground Truth-Daten notwendig sind. Insbesondere kann das Modell auch inkrementell verbessert werden, um selbst schwierige Segmentierungsprobleme in großen 3D CT-Datensätzen zu lösen. Hier konnte durch entsprechende Klick-Markierungen zwischen „Lurch“ und „Nicht-Lurch“ unterschieden und somit der Knochen in wenigen Stunden Arbeit digital aus dem Stein befreit werden.

Die Resultate der Segmentierung können zu eindrucksvollen Visualisierungen der fossilen Knochen oder Videoanimationen aufgearbeitet werden und Paläontologen wird eine maßhaltige digitale Rekonstruktion als Grundlage für wissenschaftliches Arbeiten und weiterführenden Analysen beispielsweise zur genaue Artbestimmung an die Hand gegeben. 

Zeitreise durch Stein und Zeit: Fossile Knochen erwachen in eindrucksvollen 3D‑Visualisierungen und Animationen – jede Struktur ein Kapitel der Evolution.

© Fraunhofer IIS
Falschfarben-Dorsalansicht des Lurchs: Farbcodierung wie im begleitenden Video; die Segmentierung macht den Schädel von oben deutlich sichtbar.
© Fraunhofer IIS
Laterale Falschfarbenaufnahme des Lurchs.