Die Hochenergie-Computertomographie an einem Steinblock mit den Abmessungen von 370 x 200 x 160 mm³ mit einem nur seitlich teilweise freigelegten Fragment eines Oberschädels ermöglicht einen einzigarteigenen Zugang zu bisher verborgenen Strukturen.
Fossilien erweisen sich generell als sehr herausfordernde Untersuchungsobjekte für die Computer-Tomografie: Zum einen müssen hochabsorbierende Materialien (beispielsweise Sandstein) durchstrahlt werden und zugleich die filigranen Strukturen der mineralisierten Knochen mit geringen Materialkontrasten hoch aufgelöst und artefaktfrei dargestellt werden. Die Lösung für diese Herausforderung liegt in der modernen Hochenergie-Bildgebung mit einem 9 MeV Linearbeschleuniger als Röntgenquelle.
Die Helix-CT-Resultate zeigen bereits in der einzelnen CT-Schnitten die dünnen Knochenstrukturen, sowie die umgebende Steinmatrix. Diese Informationen können bereits in dieser Aufbereitung die ersten Erkenntnisse für die Lage, Ausdehnung, Vollständigkeit und Dimensionen der Knochen im Inneren liefern und dann im Nachgang eine händische Freilegung durch die Paläontologen mit essenziellen Vorabwissen ausstatten.
Der CT-Datensatz des Fossils ist der Ausgangspunkt für eine nachgelagerte digitale Datenverarbeitung, die eine weitere Kernkompetenz des Bereiches Entwicklungszentrum Röntgentechnik des Fraunhofer IIS darstellt:
Die Segmentierung, d.h. die virtuelle Extraktion des Oberkieferknochens aus dem Stein stellte eine besondere Herausforderung dar, da nur geringfügiger Kontrast zwischen Knochen und Gestein vorhanden war. Ferner ähnelten kugelförmige Einschlüsse und auch die Vergussmasse dem Knochenmaterial in der CT-Bildgebung so stark, dass herkömmliche Schwellwertverfahren nicht anwendbar waren. Daher kam hier eine Eigenentwicklung der Fraunhofer Forschergruppe für Wissensbasierte Bildverarbeitung und Visualisierung des Fraunhofer IIS zum Einsatz: ASVoxCraft. Diese Software erlaubt Benutzern das Training eines Machine Learning-Modells für die Segmentierung von Objekten mittels einer interaktiven Klick-Prozedur, für welche keine mühsam erstellten Ground Truth-Daten notwendig sind. Insbesondere kann das Modell auch inkrementell verbessert werden, um selbst schwierige Segmentierungsprobleme in großen 3D CT-Datensätzen zu lösen. Hier konnte durch entsprechende Klick-Markierungen zwischen „Lurch“ und „Nicht-Lurch“ unterschieden und somit der Knochen in wenigen Stunden Arbeit digital aus dem Stein befreit werden.
Die Resultate der Segmentierung können zu eindrucksvollen Visualisierungen der fossilen Knochen oder Videoanimationen aufgearbeitet werden und Paläontologen wird eine maßhaltige digitale Rekonstruktion als Grundlage für wissenschaftliches Arbeiten und weiterführenden Analysen beispielsweise zur genaue Artbestimmung an die Hand gegeben.