Power-Erfinderinnen am Fraunhofer IIS: Senior Engineer Simone Neukam – von der Erfindung zur Vermarktung

22. März 2023 | Mini-Serie: Power-Erfinderinnen

Was ist Ihr großes Ziel als Wissenschaftlerin und Erfinderin?

 

Mir ist es wichtig, dass das, was ich tue, am Ende auch angewandt wird und es ein greifbares Produkt gibt, das genutzt wird. So toll manche Paper auch sein mögen und so spannend manche Fragestellungen, wenn sie nur rein theoretischer Natur sind, sind sie für mich nicht erstrebenswert. Ein Vermarktungsmodell bei uns im Bereich Audio und Medientechnologien sind Lizenzeinnahmen. So sieht man, dass die entwickelten Technologien auch Anwendung finden.

 

Sie laufen bei uns als Power-Erfinderin. An wie vielen Patenten sind Sie beteiligt?

 

Ich bin im Moment an neun Patenten beteiligt. Sieben Patente im Bereich MPEG-H und zwei im Cingo-Bereich. Als ich bei Fraunhofer angefangen habe, war die MPEG-H 3D Audio-Entwicklung gerade in den Startlöchern. Das war eine große Chance, es wurde viel entwickelt und angemeldet.

 

Auf welches Patent sind Sie besonders stolz?

 

Auf das MPEG-H System-Patent. Es bedeutet mir viel, dass hierbei nicht grundlegende Algorithmen angemeldet wurden, sondern das MPEG-H 3D Audio-Gesamtsystem, an dem viele Kollegen beteiligt sind und das als Ergebnis unserer jahrelangen gemeinsamen Arbeit und Entwicklung Anwendung findet.

 

Was ist das Besondere an MPEG-H?

 

MPEG-H 3D Audio ist ein moderner Audio Codec, der nicht nur Stereo oder Mehrkanalton-Übertragung erlaubt, sondern zusätzliche Features bietet. Audio-Objekte und auch das das Lautstärke-Verhältnis zwischen Dialog und Hintergrundgeräuschen können etwa vom Nutzer individuell angepasst werden. Die Lautstärke der Objekte auf Wiedergabeseite passt sich automatisch an die Situation des Nutzers und die Hörumgebung an. Hinzu kommen auch noch Video- und Systemebenen. Das ist ein großes Komplettpaket, an dem wir als Fraunhofer IIS große Anteile haben.

 

Welche Herausforderungen gab es bei MPEG-H?

 

Eine Herausforderung war, dass an der Entwicklung von MPEG-H auch andere Firmen beteiligt waren, die zeitgleich versucht haben, ebenfalls Patente anzumelden. Wir mussten also bei jeder Idee genau überlegen, ob wir den Aufwand und die Kosten einer Anmeldung auf uns nehmen wollen, denn es konnte immer sein, dass ein anderes Unternehmen die gleiche Idee schon einen Tag früher angemeldet hatte. Und da die Veröffentlichung der Patentschrift bis zu einem Jahr später stattfindet, erfährt man das dann erst nach schon getaner Arbeit.

 

Wie gehen Sie persönlich mit Dingen um, die nicht funktionieren?

 

Ich versuche mein Bestes, ein gestecktes Ziel zu erreichen. Ansonsten ist mir Feedback von Kollegen sehr wichtig, um zu entscheiden, ob es besser wäre, sich einer neuen Fragestellung zuzuwenden. Im MPEG-H-Umfeld war die Aufgabenstellung klar und durch Referenzen hatten wir eine Vorgabe, wie sich das Ergebnis später anhören soll. Das hat das Arbeiten erleichtert.

 

Wie sieht Ihr Alltag aus, vor allem in der Zeit der Entwicklung?

 

Viel programmieren. Und in der Audio-Entwicklung zwischendurch Ergebnisse anhören, Hörtests machen und auswerten. Aktuell, im Bereich Video, auch viele Paper lesen und sich auf dem aktuellen Forschungsstand halten.

 

Hat sich in den Jahren der Anteil der Frauen geändert?

 

Ich finde, es sind inzwischen mehr Frauen. In meinem aktuellen Team sind wir etwa ein Viertel Frauen. Frauen und Mädchen werden mehr dazu ermutigt, in die Forschung zu gehen und technische Berufe zu ergreifen.


Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Frauen in der Forschung sich bewusst für ihren Weg entscheiden und gern in diesem spannenden Umfeld arbeiten. Es ist aber trotzdem herausfordernd, anspruchsvollen Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen und ich bin der Meinung, dass das Thema ‚Vereinbarkeit‘ noch mehr Aufmerksamkeit und Akzeptanz verdient. Ich habe, seitdem ich Kinder habe, meine Stunden auf 75% reduziert. Ich bin dadurch zeitlich nicht mehr so flexibel, muss beispielsweise zu fixen Zeiten Schluss machen und zum Kindergarten fahren und das beeinflusst natürlich auch mein Arbeiten. Ich habe dabei aber nicht das Gefühl, dass ich wesentlich weniger schaffe als vorher, dafür arbeite ich gefühlt effizienter.
 

Das Interview führten Lucas Westermann und Saskia McDonagh, Redaktion Fraunhofer IIS Magazin

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