Gleisgenaue Positionsbestimmung für automatisierte Bahnanwendungen

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Wustermark/Nürnberg: Mit dem autonomen Fahren lassen sich im Bahnbereich effiziente und sichere Prozessabläufe realisieren, so kann etwa die Anzahl von Personen im Gleis und damit das Risiko von Unfällen reduziert werden. Dafür sind flächendeckende und exakte Lokalisierungsinformationen notwendig. Im Projekt »Galileo Online: GO!« entwickelte das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS mit fünf weiteren Partnern einen Satellitennavigationsempfänger mit integrierter Anbindung an eine zentrale Serviceplattform und optimierten Kommunikationswegen für Bahnanwendungen.

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Versuchsträger während der Live-Demonstration des automatisierten Rangierens im Rail & Logistic Center Wustermark mit geladenen Gästen aus der Bahnbranche.
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Dr. René Zweigel stellt die Vision einer autonomen Bahnwelt vor, zu der das Projekt Galileo Online: GO! einen wichtigen Beitrag leisten kann.

Automatisierung birgt enorme Potentiale für das unter großem Kostendruck stehende System Bahn bei gleichzeitig hohen Sicherheitsstandards. Mit automatisiertem Rangieren kann beispielsweise ein 24/7-Betrieb und eine Reduzierung von Personen im Gleis erreicht und die Wirtschaftlichkeit von kleineren Rangierbahnhöfen sichergestellt werden.

Darüber hinaus ermöglicht die Automatisierung auch eine Zugvollständigkeitsprüfung, die europaweit für viele Bahnbetreiber von Interesse ist. Über eine permanente und automatisierte Abstandsermittlung zwischen dem GO!-Empfänger auf dem Triebwagen und auf dem letzten Wagen des Zugverbands wird die Zugvollständigkeit überprüft.

In dieser Anwendung kann zwischen Wagenverlust, Kommunikationsausfall und Verlust der Positionsangabe unterschieden werden. Die Zugvollständigkeit ist Grundvoraussetzung für ein Auflösen des aktuell gängigen Fahrens in Blockabschnitten. Werden diese fixen Blocks aufgelöst, so ermöglicht das eine höhere Zugdichte im Allgemeinen und damit auch eine höhere Wirtschaftlichkeit des Bahnsystems.

Für bestimmte Einsatzfelder ist automatisiertes Fahren auf der Schiene schon heute technisch möglich und auch in Anwendung. Für einen flächendeckenden Einsatz im Personen- und Güterverkehr bedarf es aber einer stetigen Weiterentwicklung. Zur Umsetzung des automatisierten Fahrens auf der Schiene sind exakte Lokalisierungsinformationen mit hoher Verfügbarkeit wichtige Voraussetzung.

Navigationsempfänger mit optimierten Kommunikationswegen

An dieser Stelle setzt das Projekt Galileo Online: GO! an. Im Rahmen des Projekts wurde ein zuverlässiger und hochgenauer Satellitennavigationsempfänger entwickelt. Hierbei werden anwendungsspezifische Probleme berücksichtigt, wie zum Beispiel Abschattungseffekte der Satellitensignale unter bahntypischen Empfangsbedingungen.

»Besonderes Alleinstellungsmerkmal bei der Empfängerentwicklung ist die nahtlose Ankopplung der Empfängersoftware und -hardware an eine Infrastruktur, eine sogenannte zentrale Serviceplattform«, erklärt Dr. René Zweigel von der RWTH Aachen University, Koordinator des Projekts. »Diese ermöglicht eine zentralisierte Auswertung der von den Empfängern übertragenen Daten und stellt diese in Form unterschiedlichster Informationsdienste bereit.« Ein Beispiel für einen solchen Dienst ist die Detektion von schadhaften Stellen im Gleis, was eine bedarfsgerechte und planbare Wartung ermöglicht.

Projektabschluss mit Live-Demonstration

Am 21. Juni 2018 fand im Rail & Logistic Center Wustermark, Elstal, der Projektabschluss statt. Das Projektkonsortium demonstrierte dort, wie ein Güterzug durch automatisches Rangieren zusammengestellt, wie die Zugvollständigkeit überwacht wird und welche Möglichkeiten der Datenanalyse bestehen.

Fraunhofer IIS liefert verbesserte Rohdaten zur Positionsbestimmung

Ziel des Projekts ist ein verbesserter Satellitennavigationsempfänger, der speziell für die Anforderungen im Bahnbereich weiterentwickelt wurde. So wird zum Beispiel durch die Nutzung mehrerer Satellitensysteme (GPS und Galileo) die Verfügbarkeit einer Positions-Information erhöht. Das Fraunhofer IIS entwickelte das sogenannte Basisband des GO!-Empfängers, das die empfangenen Satellitensignale akquiriert, die entsprechenden Informationen ausliest und als Rohdaten zur Weiterverarbeitung an die Projektpartner bereitstellt.

Durch einen neuartigen Ansatz mittels Vektortracking-Loops in der sogenannten tiefen Kopplung können Signalverluste bei kurzen Verdeckungen der Satelliten, zum Beispiel durch Brücken oder bei Tunnelfahrten, kompensiert werden. Desweiteren wurde die Nutzung des speziellen Galileo-Signals »E5AltBOC« umgesetzt, das weitere Verbesserungen in Bezug auf die Genauigkeit und die Robustheit gegenüber Reflexionen ermöglicht.

Galileo Online: GO! ist ein Gemeinschaftsprojekt des Fraunhofer IIS mit der RWTH Aachen University, der IMST GmbH, der SCISYS Deutschland GmbH, der Vodafone GmbH und der InnoZ GmbH. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert.