Historisch und einzigartig: Fraunhofer IIS gelingt Röntgenaufnahme von römischem Schienenpanzer

Fürth: Forschenden des Fraunhofer-Entwicklungszentrums Röntgentechnik EZRT des Fraunhofer IIS ist es gelungen, einen einzigartigen Fund zu durchleuchten. Mithilfe des weltweit größten öffentlich zugänglichen Computertomographie-Systems konnte ein am Ort der Varusschlacht gefundener römischer Schienenpanzer zerstörungsfrei gescannt werden – und die Ergebnisse sind beeindruckend.

XXL-CT
© Fraunhofer IIS/ Paul Pulkert
Die sogenannte XXL-CT erschließt die einzigartige Möglichkeit, großvolumige Objekte vollumfänglich dreidimensional zu erfassen.

Im Jahr 2018 war ein Wissenschaftlerteam bei archäologischen Ausgrabungen in Kalkriese, dem Ort der Varusschlacht, auf ein sehr großes Metallobjekt im Boden gestoßen. Um den Fund im Anschluss unter Laborbedingungen in der Restaurierung ausgraben zu können, wurde sich für eine Bergung im Block ausgesprochen. Anschließend ergab ein erster Scan in der großen Röntgenanlage des Zollamtes des Flughafens Münster/Osnabrück, dass sich im Inneren des 1,25 Meter mal 1 Meter großen und 500 Kilogramm schweren Blocks ein sehr großes und metallisches Objekt befinden muss – das umliegende Erdreich schirmte den metallischen Inhalt so gut ab, dass weitere Einblicke nicht möglich waren.

Aus diesem Grund wandten sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an das Fraunhofer-Entwicklungszentrum Röntgentechnik EZRT in Fürth, einem Bereich des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS. Das dort befindliche XXL-CT-System bietet die einzigartige Möglichkeit, großvolumige Objekte vollumfänglich dreidimensional zu erfassen. Durch den Einsatz hoher Röntgenenergien von bis zu neun Megaelektronenvolt wurde eine gute Durchdringung des Blocks erzielt, sodass eine besonders dichtetreue Abbildung von unterschiedlichsten Materialien möglich wurde. Die räumliche Auflösung liegt dabei im Bereich unterhalb eines Millimeters.

»Ältester und einzig erhaltener Schienenpanzer«

Der Block wurde mit insgesamt 1500 Bildern während einer über mehrere Tage dauernden 360-Grad-Drehung gescannt. »Mit unseren CT-Anlagen ergeben sich ganz neue Möglichkeiten. Wir können Unsichtbares sichtbar machen. Das ist ein wichtiger Schritt zur virtuellen Erfassung historisch bedeutsamer Objekte in Sammlungen und Museen«, berichtet Katrin Zerbe, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Entwicklungszentrum Röntgentechnik.

Nach den umfassenden Untersuchungen des Blocks kam schließlich Licht ins Dunkel: Es handelt sich bei dem Fundstück tatsächlich um einen römischen Schienenpanzer. Diese aus mehreren Metallplatten zusammengesetzte Rüstung schützte über Jahrhunderte die Oberkörper der römischen Legionäre. »Er ist bislang der älteste und der einzig erhaltene Schienenpanzer. Dieser Fund liefert uns gänzlich neue Einblicke in die römische Rüstungstechnik«, so Prof. Dr. Salvatore Ortisi (Ludwig-Maximilians-Universität München), seit seinem Weggang von der Universität Osnabrück kommissarischer Leiter der Wissenschaftsabteilung am Museum und Park Kalkriese.

Der nun vorliegende Fund eines annähernd vollständigen Schienenpanzers aus Kalkriese erfordert eine Revision der bisherigen Vorstellungen von den Anfängen dieser Körperpanzerung. Der neue Fund lässt eine herausragende handwerkliche Qualität erkennen, die einen großen Tragekomfort erzeugen sollte. Die frühere Annahme technisch unausgereifter Lösungen bei der Verbindung der einzelnen Platten kann nicht bestätigt werden; hier entspricht der Kalkrieser Panzer deutlich jüngeren Rüstungen.

Vom Fundstück zum Museumsobjekt

Für Besucherinnen und Besucher ist ein kurzer Film rund um den Schienenpanzerfund entstanden, der im Museum gezeigt wird. In den kommenden Monaten werden Museum und Park Kalkriese mit vielen Beiträgen und Filmen auf Facebook und Instagram einen Blick hinter die Kulissen ermöglichen. Im Jahr 2023 ist eine Sonderausstellung zu den Forschungen in Kalkriese geplant, die den Schienenpanzer in den Fokus nimmt.
 

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