Digitalisierung in Museen: Wie wir das Geheimnis einer peruanischen Mumie lüfteten

Eine Mumie, ein Forscherteam und eine Filmcrew: Es war ein aufregender Tag im Dezember 2018. Er brachte viele neue Erkenntnisse. Wir, die Filmcrew vom Fraunhofer IIS, erwarteten ihn mit großer Spannung und durften diesen Beitrag zur Digitalisierung in Museen filmisch begleiten und dokumentieren.

Das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS am Standort Fürth hat sich zu einem weltweit anerkannten Forschungszentrum auf dem Gebiet der Röntgentechnik entwickelt. In der XXL-CT-Anlage röntgten die Forscherinnen und Forscher bereits ganze Autos und Frachtcontainer. Insbesondere auch für historische Objekte sind solche 3D-Röntgentechnologien von Bedeutung. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Museen erhalten hier aufschlussreiche Einblicke in historische Objekte, ohne den Gegenstand öffnen oder gar beschädigen zu müssen. So hebt die Digitalisierung die Arbeit von Museen auf eine neue Ebene. Unter anderem ließ das Deutsche Museum den Raketenjäger »Messerschmitt« mittels der am Fraunhofer IIS entwickelten 3D-Röntgentechnologie untersuchen.

Das Röntgen kann beginnen

© Fraunhofer MEVIS
Visualisierung: Fraunhofer MEVIS, Bremen, Anwendung von Physically Based Volume Rendering auf hochaufgelöste CT-Aufnahmen

Nun sollte also eine peruanische Mumie folgen, die vermutlich aus der Zeit zwischen dem 11.-15. Jahrhundert stammt. Als wir in den gesicherten Bereich des Fraunhofer-Entwicklungszentrums Röntgentechnik EZRT, einem Forschungsbereich des Fraunhofer IIS, eintraten, erwartete uns bereits Prof. Tomas Sauer. Er leitet die Gruppe »Wissensbasierte Bildverarbeitung« des Fraunhofer EZRT und ist Lehrstuhlinhaber für Mathematik mit Schwerpunkt Digitale Bildverarbeitung an der Universität Passau. Er initiierte die Untersuchung der Mumie, welche jahrelang in der Sammlung des Lindenmuseums in Stuttgart lagerte. Nun wollte er zusammen mit dem Fraunhofer IIS also das Innere dieses spannenden und zugegebenermaßen etwas gruselig anmutenden Objekts erforschen.

Die Türen der 3D-CT-Anlage öffneten sich und wir sahen etwas, womit keiner von uns gerechnet hatte. Denn vorher dachten wir beim Stichwort »Mumie« in erster Linie an mit Binden umwickelte Körper. Hier jedoch erblickten wir ein Objekt, das wie ein großer, mit Baumwolle ausgestopfter Sack aussah. Ein Teil davon war abgebunden und wirkte wie ein darauf platzierter Kopf. Auf diesem vermeintlichen Kopf deuteten sich Gesichtspartien wie eine Nase an, geflochtene Haare steckten am Kopf. Wir fragten erstaunt bei Prof. Sauer nach, was wir hier genau vor uns hätten. Er erklärte, dass die Mumie in unseren Vorstellungen einer ägyptischen Mumie entsprach, hier jedoch eine peruanische Mumie vor uns steht. In Peru wurden die Mumien nicht ihrer Organe entledigt und anschließend in Binden eingewickelt, sondern samt ihrer Organe in mit Baumwolle ausgestopften Leinensäcken aufbewahrt.

Enthüllung präziser Details dank Digitalisierung

© Fraunhofer MEVIS
Visualisierung: Fraunhofer MEVIS, Bremen, Anwendung von Physically Based Volume Rendering auf hochaufgelöste CT-Aufnahmen

Als die Mumie zur Röntgenanlage gebracht wurde, war noch nicht klar, ob sich tatsächlich ein Mensch in dem Leinensack befindet, da dieser nur ca. 18 kg wog. Erst auf den Röntgenbildern sah man, dass tatsächlich ein vollständiges Skelett in dem Sack steckte. Auf den Bildern waren viele Details erkennbar: Der Mensch darin befand sich in einer Hockstellung, die Hände waren vor den Knien verschränkt. Der Kopf war bedingt durch die Hockposition tatsächlich in dem abgebundenen Teil des Leinensacks und der Körper samt Extremitäten im größeren Teil. Zahlreiche Grabbeigaben wie Muscheln, Armbänder oder auch ein Federfächer waren zu erkennen. Da die Jenseitsvorstellungen im alten Peru sehr konkret waren und sie sich das Jenseits wie das Diesseits vorstellten, wurde den Verstorbenen Nahrung, Kleidung und weitere Kleinigkeiten mitgegeben. 

Auch das Geheimnis der Auswölbung im Bereich der »Nase« wurde dank der präzisen 3D-Röntgenuntersuchung gelüftet: Hierbei handelte es sich um einen sehr gut erhaltenen Maiskolben, welcher so platziert wurde, dass es aussah, als hätte diese Mumie eine Nase.

Spannende Erkenntnisse für das Fraunhofer IIS und das Linden-Museum

Diese präzisen Untersuchungsmöglichkeiten der Mumie mittels der 3D-Röntgentechnik vom Fraunhofer IIS haben uns spannende Einblicke in die Vergangenheit gewährt und uns begeistert. Sowohl das Museum als auch das Fraunhofer IIS profitieren von dieser Zusammenarbeit: Das Museum erhält wertvolle Daten zur weiteren Erforschung des Objekts und das Institut kann seine Bildverarbeitungsmethoden weiter erproben und verbessern. Im Forschungsprojekt »Big Picture« erforschen wir, wie derart große Bilddaten verarbeitet, verwertet und nutzbar gemacht werden können. Dank neu entwickelter Komprimierungsmethoden können die hochauflösenden Datensätze nicht mehr nur mit sehr teuren und leistungsstarken Industriecomputern betrachtet und analysiert werden: Die Komprimierung ist derart effizient, dass hierfür auch ein handelsübliches Notebook über ausreichend Leistung verfügt.

Big Picture: 3D-Röntgencomputertomograhie einer peruanischen Mumie

Interview mit Prof. Dr. Tomas Sauer, Leiter der Gruppe »Wissensbasierte Bildverarbeitung« des Fraunhofer EZRT und Lehrstuhlinhaber für Mathematik mit Schwerpunkt Digitale Bildverarbeitung an der Universität Passau, über 3D-Rötngentechnik und die peruanische Mumie.

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